In diesem ersten von zwei SEViX Interviews sprechen der SEViX Gründer Rainer E. Ulrich und der Senior Executive Partner Dr. Thomas Forster darüber, was nötig ist, um in Unternehmen wirksame, nachhaltige Veränderungen zur Krisenbewältigung herbeizuführen und welche Unternehmer-Profile dazu erforderlich sind.
Unternehmen aus der aktuellen Krise mittels traditionelle Instrumente zu führen, wie beispielsweise das klassische Turnaround-Management, das fokussiert auf die Restrukturierung der Passivseite und der Aktivseite, d. h Verbesserung der Leistungswirtschaft, der Bilanz setzen, greifen in den sich aktuell abzeichnenden Unternehmens- und Branchenkrisen nicht mehr. Eine strategische Business Transformation ist hierbei unabdingbar.
Der klassische Chief Restructuring Officer (CRO) der Vergangenheit kann die neuen Anforderungen einer strategischen Business Transformation nicht erfüllen. Dazu ist ein völlig neues Anforderungsprofil erforderlich. Ein Chief Transformation Manager (CTO) mit strategischer Kompetenz, der am besten auf gleicher Augenhöhe wie der CEO wirkt, wird diese Rolle künftig ausfüllen.
SEViX: Herzlich willkommen heißen möchte ich die Herren Dr. Thomas Forster und Rainer E. Ulrich zu diesem Interview. Heute werden wir über eine strategische Business Transformationen sprechen und einem veränderten Anforderung-Profil des klassischen CRO.
Herr Dr. Forster, wenn Sie über eine strategische Transformationen sprechen, was ist anders? Was ist neu?
Dr. Forster: Die strategische Business Transformation greift auch auf klassische und bekannte Maßnahmen der Sanierung zurück wie etwa den Personalabbau, das Abschneiden von Verlustbringern oder die Bereinigung des Produkt- und Kundenportfolios. Sie geht allerdings über das Kostensenkungsprogramm oder Effizienzsteigerungsprogramm der Sanierung hinaus. Dezidierter Fokus der Business Transformation liegt auf der Strategieentwicklung und deren Umsetzung. Sie setzt auf nachhaltiges, profitables Umsatzwachstum oberhalb des Branchendurchschnitts durch ständige Verbesserungsmaßnahmen über die gesamte Wertschöpfungskette. Bei der klassischen Sanierung ist der Fokus auf die Sicherstellung einer kurz- und mittelfristigen wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit durch einschneidende Kostensenkungen und Ertragsverbesserungen.
SEViX: Würden Sie dem noch etwas hinzufügen, Herr Ulrich?
Ulrich: Zu ergänzen ist ein Fokus auf Innovationen in Megatrend-Produktfeldern, die nachhaltiges profitables Wachstum generieren. Digitalisierung oder künstliche Intelligenz sind dabei Instrumente – keine eigenständige Strategien – um den transformalen Wandel und Innovationen zu forcieren. Außerdem möchte ich noch den Fakt der Unternehmenswertsteigerung durch nachhaltiges profitables Umsatzwachstum erwähnen. Die strategische Business Transformation setzt auf einen ganzheitlicher Ansatz gegenüber kurz- und mittelfristige Einzelmaßnahmen bei der klassischen Sanierung
Ganz wesentlich: eigene Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten können bei der Business Transformation noch vorliegen gegenüber einer Sanierung, die im Wesentlichen fremd durch die Gläubiger bestimmt sein kann.
SEViX: Historisch gesehen sind viele dieser großen Transformationsprojekte gescheitert. Herr Ulrich, warum ist das Ihrer Erfahrung nach so? Welche Art von Mustern sehen wir?
Ulrich: Zunächst einmal denke ich, dass Führungskräfte zu Recht skeptisch gegenüber diesem Begriff “Transformation” und den Möglichkeiten, die er bieten kann, sind. Meine Erkenntnisse und Publikationen hierzu, zeigen eine beständig sehr hohe Misserfolgsrate dieser Programme, wie die Unternehmen selbst berichten. Etwa 70 Prozent oder so werden routinemäßig als wahrscheinliche Misserfolgsrate dieser Art von Programmen genannt. Was ich feststelle, ist, dass der Widerstand – sowohl der Widerstand in der breiteren Belegschaft eines Unternehmens als auch, offen gesagt, in der erweiterten Führungsmannschaft selbst – oft sehr groß ist, um diese Art von Veränderungen durchzuführen. Das gilt sowohl für klassische Sanierungen als auch für strategische Business Transformationen.
SEViX: Lassen Sie uns nur ein wenig über den klassischen CRO, den Chief Transformation Officer sprechen, der ein wesentlicher Erfolgsfaktor eines Veränderungsprozesses ist.
Ulrich: Der klassische CRO muss mit der funktionalen Autorität – sprich Organschaft – betraut sein, um Veränderungen umsetzen zu können. Er steuert den Turnaround mit einem Team aus internen Mitarbeitern und aus möglichen externen Beratern und hält der bestehenden Geschäftsführung den Rücken für das Tagesgeschäft frei. Der klassische CRO ist dabei oft im Wesentlichen ein Kostenmanager, der schnell durch geeignete Maßnahmen den Breakeven erreichen sollte.
SEViX: Was verstehen Sie unter einem CTO, den Chief Transformation Manager und wie unterscheidet er sich gegenüber einem klassischen CRO.
Dr. Forster: Von einem modernen Business Transformation Manager oder Chief Transformation Officer kann erwartet werden, dass er durch einen erfolgreichen Strategieentwicklungsprozess das Unternehmen in eine bessere strategische Position bringen kann. Hier haben wir bereits den zentralen Unterschied zum klassischen CRO. Ohne starke funktionale und persönliche Autorität kann auch der Business Transformation-Manger im Unternehmen nicht erfolgreich wirksam sein. Es ist deshalb sinnvoll, den Business Transformation-Manager möglichst auf der ersten Führungsebene anzusiedeln. Die förderlichste Lösung ist die Verknüpfung von einer CEO-Rolle auf Zeit mit der Rolle eines Business Transformation-Managers, was die nötige stärkste funktionale Autorität für den Veränderungsprozess zum Ziel haben kann. Ohne persönliche Autorität ist der Business Transformation-Manager allerdings immer zum Scheitern verurteilt.
Ulrich: Der Business Transformation-Manager ist weitgehend verantwortlich für das Lokalisieren der Bereiche, die innerhalb eines Unternehmens verbessert werden müssen. Er muss notwendige Änderungen identifizieren und implementieren, damit ein Unternehmen als Best-in-Class wirken kann. Der Business Transformation-Manager hat eine unternehmerische Rolle und ist entscheidend in die Unternehmenshierarchie eingebunden. Zur Strategieentwicklung benötigt er eine eindeutige Unternehmensanalyse – Stärken und Schwächen – sowie eine die Definition klarer Unternehmensziele.
SEViX: können Sie noch einige konkrete Aufgaben und Unterschiede ergänzen?
Ulrich: Der Business Transformation Manager fungiert als zentrale Kontaktstelle zwischen verschiedenen Abteilungen innerhalb des Unternehmens und relevanten Dritten. Er entwickelt und kommuniziert Strategien und Ziele mit relevanten Abteilungen und Kollegen. Er ist ein Kommunikator und kein Abwickler. Außerdem ist er mit dem operativen Geschäft betraut und stellt sicher, dass das Unternehmen operativ weiterläuft.
Dr. Forster: Im Gegensatz zum klassischen Kosten getriebenen CRO ist der Business Transformation Manager ein Coach mit hoher situativer sozialer und kommunikativer Kompetenz. Ein CRO im klassischen Sinn, wird dies nicht leisten können.
Der Business Transformation-Manager muss Lücken zwischen den Abteilungen schließen, er ist Schnittstellenmanager und muss eine offene Kommunikation über alle Aspekte des Unternehmens aufrechterhalten. All dies wird den Mitarbeitern helfen, das Unternehmen besser zu verstehen und die Gründe für eine Umstrukturierung oder die Business Transformation des Unternehmens zu erklären. Er muss im Unternehmen Multiplikatoren und Promotoren identifizieren und sie davon überzeugen, am Veränderungsprozess maßgeblich mitzuwirken und sie dazu persönlich und fachlich ertüchtigen – kurz: die Menschen dazu zu bringen, anders zu handeln.
SEViX: Sie haben den Business Transformation Manager als Coach bezeichnet – können Sie noch einige wesentliche persönliche Eigenschaften nennen?
Dr. Forster: Ich fasse einige kurz zusammen: Fundierte Erfahrungen und Wissen über Strategie, allgemeine Geschäftsprozesse und organisatorische Rahmenbedingungen wie Ziele, Kultur und Struktur – besser würde ich sagen: unternehmerische antizipative Fähigkeiten. Eine charismatische Ausstrahlung mit hoher persönlicher Autorität ist wichtig, um den notwendigen Kommunikationsprozess in Gang zu halten. Team- und Führungsfähigkeit sowie Motivation und Leidenschaft sind ebenfalls erforderlich. Es müssen Beziehungen in und außerhalb des Unternehmens aufgebaut werden. Ohne eignes hohes Maß an Innovation und Kreativität wird man schlecht die Innovationskraft eines Unternehmens forcieren können.
Ulrich: Ich will die wesentlichen Unterschiede nochmals auf den Punkt bringen: Da antizipative Fähigkeiten ist ein MUSS für den neuen Typus des Unternehmenssanierers, besser des Business Transformation Managers sind, können JURISTEN dieses Anforderungsprofil nicht erfüllen
Zweifelsfrei gibt es wenige Sanierer, die Expertise und Leidenschaft vor allem in der strategischen Transformation nachweisen. Der Turnaround, die operative Transformation und das Performance Management greifen ebenso wie die Restrukturierung der Passivseite zu kurz. Hohe soziale Kompetenzen mit persönlicher Autorität sind ein MUSS, worauf in der Vergangenheit weniger Wert gelegt wurde.
Eine dezidierte Kommunikationspolitik und persönliche Akzeptanz sind wesentliche Erfolgsfaktoren einer jeden Business Transformation und dazu ist persönliche Autorität unerlässlich.
SEViX: Ich befürchte, das ist alles, wofür wir heute Zeit haben. Herzlichen Dank an die Herren Dr. Forster und Ulrich, dass Sie sich die Zeit genommen haben um mit uns zum Thema “Der klassische CRO hat keine Zukunft” zu sprechen.
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