Strategic Business Transformation_04 2022_sw

Industrie 4.0 und KI im Mittelstand – Smarte Technologien eröffnen neue Chancen, LEAN Manufacturing weiterzuentwickeln

Von dem SEViX Senior Executive Partner, Armin Gruber


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ch bei der Digitalisierung kommt es auf den Nutzen an: Die wesentlichen Potenziale stecken in den Akronymen QCDMS (Quality, Cost, Delivery, Morale, Safety) und OEE (Overall Equipment Effectiveness)

Um im Hochlohnland Deutschland umfassend Wertschöpfung betreiben und hochwertige Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen herstellen zu können, ist eine hohe Produktivität von großer Wichtigkeit und somit wesentlich für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit

Der stetige Produktivitätszuwachs der deutschen Industrie der letzten Jahre[1] findet seit 2018 ein Ende. Die Arbeitsproduktivität geht von 2017 bis 2019 um etwa 1% pro Jahr zurück. Diese stagnierende und sogar rückläufige Produktivitätsentwicklung im deutschen Verarbeitenden Gewerbe stellt eine große Herausforderung für den sekundären Sektor dar.

[1] Im Mittel etwa 2% pro Jahr über die Jahre 2010-2018.

Aus der Historie heraus bezeichnet der 2012 geprägte Marketingbegriff „Industrie 4.0“ ein Zukunftsprojekt der Forschungsunion der deutschen Bundesregierung, welches die 4. Industrielle Revolution durch um­fassen­de Digitalisierung der industriellen Produktion mit ganzheit­lichem Ansatz gestalten möchte. Der Umfang von Ganzheitlichkeit sieht bei einem global aufgestellten Technologiekonzern und seinen verschiedenen Geschäfts­be­reichen sehr viel anders aus, als beispiels­weise bei Mittelstandsunternehmen, die als Zulieferer agieren. Im Kern geht es aber immer darum, mit einem LEAN Mindset die Verschwendungsarten zu minimieren und so Nutzen zu erzeugen. Die Technologien unter Industrie 4.0 und KI geben uns dazu neue Werkzeuge in die Hand.
Im Vergleich zur Anwendung von Lean-Prinzipien in der Produktion liegt die Umsetzung von Industrie 4.0 Technologien, beziehungsweise Technologien zur digitalen Vernetzung in der Produktion, noch zurück.

„Es geht darum, die technologische Führerschaft und Vordenkerrolle in der industriellen Produktion zu verteidigen (…) Industrie 4.0 ist eine Revolution, die die 2020er-Jahre bestimmen wird. Sie wird ganze Geschäfts­­modelle und die Industrie weltweit verändern."[1]

[1] Ex-CEO der Siemens AG, Joe Kaeser im Manager Magazin newsdesk vom 12.04.2015

Seit 2015 hat sich viel verändert, das Verteidigen technologischer Führerschaft ist tatsächlich zur massiven Herausforderung geworden. Joe Kaeser hatte bereits damals eine zukunftsweisende Bewertung geäußert. Danach kam neben politisch beschleunigtem Strukturwandel auch noch eine Pandemie hinzu. Joe Kaeser ist im Februar 2021 abgetreten. Die Gegenwart bestätigt seine Einschätzung aus dem Jahr 2015!

Aus der Perspektive produzierender Mittelstandsunternehmen sollen beispielhaft ganz pragmatische und konkrete Ansätze und Potenziale aufgezeigt werden, wie mit smarten Technologien und KI echter Nutzen erzeugt werden kann. Die folgenden Beispiele lassen sich entsprechend auch auf ähnliche Anwendungsbereiche übertragen:

Druckluftversorgungssysteme im Produktionsumfeld:

Typischerweise bestehen solche Anlagen aus mehreren Kompressoren mit Sensorik, Steuerung, Drucklufttrocknern, Wasserabscheidern im Leitungssystem und Taupunktsensoren in den Hauptleitungen. Die Verfügbarkeit ist unmittelbar OEE-relevant: Druckluftausfall bedeutet meist Fertigungsstillstand und kann Qualitätsrisiken beinhalten. Unzureichende Druckluftqualität beeinträchtigt auch Verfügbarkeit und Wartungsbedarf der versorgten Betriebsmittel signifikant.

Die Steuerung von Druckluftversorgungssystemen und die Überwachung aller wesentlichen Komponenten über Netzwerk-kommunikationsfähige Sensoren, die Dokumentation von Leistungsparametern, Browser-Fernzugang und intelligente, situativ ausgelöste Meldung an Smartphones und Tablets von Wartungsteams im Bedarfsfall, warnt frühzeitig, präzise und wirkt OEE steigernd. Gleichzeitig sinkt der Personalaufwand für die Überwachung des Systems.

Werkzeugmaschinen und andere Produktionsmaschinen im mannlosen Betrieb:

Maschinen wie zerspanende Bearbeitungszentren, formgebende Senk- oder Drahterosionsanlagen, gehören bei vielen Mittelständlern zu den teuersten Maschineninvestitionen. Rentabler Betrieb basiert darauf, dass möglichst hohe Auslastungen, insbesondere im mannlosen Betrieb, erreicht werden. Dies zu erreichen ist die arbeitsvorbereitende Rüst- und Programmieraufgabe hochqualifizierter Facharbeiter, Meister und Techniker. Von signifikantem Nutzen und auch von hoher Akzeptanz der Mitarbeiter sind Systeme der Fernüberwachung, die aussagekräftige Statusinformation oder eingetretenen Fehlerstatus an Mobilgeräte melden. Mitarbeiter können so mit geringem Aufwand mannlos ablaufende Prozesse aus der Distanz überwachen und bei entsprechender betrieblicher Priorität heraus qualifiziert über Sondereinsätze entscheiden.

Pauschal angesetzte Überwachungsbesuche zur Vor-Ort Statusüberprüfung mannlos laufender Werkzeugmaschinen können so meist entfallen, was auch im Freizeitanspruch-Interesse der Mitarbeiter ist und die Zufriedenheit steigert.
Ihn ähnlicher Weise stellen sich die Chancen auch beim Einsatz von zu Leitständen vernetzten kommunizierenden Produktionsmaschinen dar. Der Nutzen der Echtzeit-Transparenz besteht darin, dass frühzeitig über die Notwendigkeit von Eingriffen entschieden werden kann, wenn es gilt, bedrohte Liefertreue und etwaige Folgekosten durch gezielte Sondereinsätze abzuwehren.

KI-basierte Bildverarbeitung in der Qualitätssicherung:

Die „zero defect“ Qualitätsansprüche im Automobilzuliefergeschäft wurden mittlerweile in vielen Fällen durch „zero incident“ Forderungen ersetzt. Ein „incident“ (Vorfall) ist auch dann bereits eingetreten, wenn ein Merkmal, ein Erscheinungsbild oder die Weiterverarbeitbarkeit vom Kunden thematisiert wird, selbst wenn gar kein Mangel im Sinne vereinbarter Eigenschaften vorliegt, aber z.B. eine farbliche Abweichung oder andere Oberflächenbeschaffenheit auffällt. Produktionsüberwachende Bildverarbeitungssysteme werden entsprechend häufig eingesetzt.

Konventionelle Bildverarbeitung basierte bisher auf Bildvergleichen von „OK“-Bildausschnitten mit „nicht OK (NOK)“-Fehlerbildern in qualitätskritischen Bereichen, die mühsam generiert werden mussten. In anspruchsvoller Programmierarbeit werden dann Schwellenwerte der Ansprechsensitivität festgelegt und im Einsatz erprobt. Eine nicht programmierte Abweichung oder eine Abweichung an einer nicht vorprogrammierten Stelle kann so nicht erkannt werden.

Die KI in der Bildverarbeitung geht in Bezug auf die Lerndaten einen vollkommen anderen Weg: Das Programm wird in erster Linie mit einer sehr hohe Anzahl von bestätigten „OK“-Referenzbildern gefüttert und aus den erkannten Schwankungen in allen Bildbereichen werden Trigger-Limits errechnet, deren Überschreiten zur „NOK“-Beurteilung führt. So werden Anomalien und Fehler erkannt, deren explizite Beschreibung „NOK“ nie vorgenommen wurde. Gleichzeitig kann auch von einer Lernfähigkeit gesprochen werden, wenn durch zusätzliche Bestätigung von „OK“ und NOK“ Zuständen die Beurteilungsfähigkeit der KI immer weiter verfeinert wird, bei einem gleichzeitig reduzierten Anspruch an die Programmierkenntnisse.

Kreativer Einsatz additiver Herstellung von Komponenten:

In vielen Betrieben sind heute bereits 3D-Druckanlagen im Einsatz und häufig ist es so, dass die Initiative zum Einsatz von Konstruktionsabteilungen und dem Projektmanagement ausgeht, um Bauteilkonstruktionen in der Arbeitsbeziehung mit Kunden zielführend zu illustrieren.

Ein zusätzliches Einsatzgebiet könnte gleichzeitig auch im Bereich der Automatisierung liegen: Additiv hergestellte Komponenten haben sich auch zur Herstellung kleinerer Formteil-spezifischer Greifer, Entnahme- oder Aufnahmevorrichtungen im Produktionseinsatz bewährt.

Arbeitsschutz-Absicherung von Mitarbeitern, die zeitweise alleine arbeiten:

In der betrieblichen Realität gibt es immer wieder Situationen, in denen Mitarbeiter bei vertretbar niedrigen Risiken der zu verrichtenden Aufgaben, zeitweise alleine tätig sind. Aufgrund von Restrisiken ist dies unter dem Aspekt der Pflichten von Arbeitgebern keine einfache Entscheidung.

Die potenziellen Folgen von Restrisiken wie Treppenstürzen oder plötzlich eintretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen lassen sich heute entschärfen, weil intelligente und vernetzte Sensoren erkennen können, ob sich eine Person potenziell in Gefahr befindet. Im Alarmfall wird die Alarmmeldung automatisiert an interne Überwachungspersonen oder externe Leitstellen abgesetzt und kann auch Ortungsinformation beinhalten.

Fazit

Es gibt es eine steigende Anzahl reizvoller, innovativer Möglichkeiten, smarte Systeme zur Verschwendungsvermeidung und Effizienzsteigerung einzusetzen. Insbesondere die Mitarbeiter der digital-native Generation sind sehr kreativ, proaktiv weitere Einsatzmöglichkeiten zu erschließen, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird. Voraussetzung ist, dass die Führungskultur solche Kreativpotenziale fordert, fördert und erbrachte Leistungen anerkennt. Die Motivation der Mitarbeiter steigt und es wird insgesamt die Bereitschaft zu Veränderungen positiv beeinflusst.

In vielen Fällen ist zusätzlich die übergeordnete und äußerst anspruchsvolle Management-Aufgabe einer radikalen strategischen Neuorientierung notwendig, um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Es kann mehrere Gründe geben, weshalb ein umfassendes und zeitkritisches Change Management Projekt nicht von vorhandener Managementkompetenz geleistet werden kann oder auch nicht geleistet werden sollte. In solchen Fällen kann auch ein in Strategie erfahrener Geschäftsführer/ CEO ad interim die Lösung sein.

Sprechen Sie uns bitte direkt an, wenn Sie konkrete Hilfe in Change Management-Projekten oder einen „CEO ad interim“, Chief Operating Officer (CRO), Business Transformation Manager und ein eingespieltes Team mit Umsetzungskompetenz benötigen, mit profundem Erfahrungswissen in den Funktionen bzw. Tätigkeitsfeldern
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